Jede Windböe nutzen
03.08.2022Wenn alles klappt, könnte in zwei bis drei Monaten die erste Pilotanlage des Start-ups in Betrieb gehen. Sie soll einen Rotordurchmesser von drei Metern erhalten und beweisen, dass das am Reißbrett entwickelte innovative Konzept auch der Realität standhält. „Wir planen, uns schrittweise mit immer größeren Pilotanlagen an das Endprodukt heranzutasten“, erklärt Krammer. Im Idealfall könnte es bereits in fünf Jahren so weit sein.
Small but powerful. Die Windkraftwerke von Terawind werden allerdings nicht so hoch in den Himmel wachsen wie bisherige Anlagen. Ziel ist ein Rotordurchmesser von 50 Metern. Dadurch sollen einerseits Material und Kosten gespart, andererseits aber auch die Errichtung an besonders exponierten Stellen erleichtert werden. Dafür ermöglicht die neue Technologie den Betrieb bei deutlich höheren Windgeschwindigkeiten, und sie kommt ohne Pitchregelung aus. Das heißt, dass bei Terawind-Anlagen die Windböen die Rotoren beschleunigen, während konventionelle Windkraftwerke in solchen Situationen durch Verdrehung der Rotorblätter bremsen.
Die ideale Windgeschwindigkeit für die bestehenden Windkraftanlagen liegt bei neun bis zwölf Metern pro Sekunde – das entspricht 32 bis 43 km/h. Bei stärkerem Wind muss gebremst werden. „Wir möchten Windgeschwindigkeiten von bis zu 15, vielleicht sogar 20 m/s nutzen“, so der Gründer. „Dabei werden die Blattspitzen Belastungen wie bei einem Flugzeug ausgesetzt.“ Verstrebungen zwischen den drei Rotorblättern sollen dies ermöglichen. Eventuell wird das Endprodukt zur Steigerung der Stromausbeute einen zweiten Rotor auf der Rückseite der Kanzel erhalten. In diesem Fall sind gekrümmte Rotoren vorgesehen, um den Abstand zwischen den Rotoren zu erhöhen und eine gegenseitige Beeinträchtigung zu reduzieren. Nicht beeinträchtigt werden soll auch die Vogelwelt. Mittels bereits verfügbaren KI-Systemen können Bergdohlen, Bartgeier und Co. auf Kollisionskurs erkannt und die Anlagen gestoppt werden.
Mander, ‘s isch Zeit. „Jetzt ist der richtige Zeitpunkt für die Entwicklung des weltweit ersten Windkraftwerks, das auch Böen nutzen kann“, ist Krammer überzeugt. Er hofft, dass bis zur Marktreife seines Produkts die Bewilligungsverfahren in Österreich deutlich rascher als bisher abgewickelt werden und der politische Widerstand gegen die Windkraft in den Alpen schwächer wird. Doch seine Erfindung hat Potenzial für Kund:innen aus aller Welt.
Philip Krammer studierte Flugzeugbau in Hamburg, erlangte in Cambridge den Master in „Engineering for Sustainable Development“ und promovierte in London im Fachgebiet Energieökonomie. Seit drei Jahren befasst er sich mit jener technischen und ökonomischen Herausforderung, die Mitte 2021 in die Gründung der Terawind GmbH mündete. Nun ist der Entrepreneur auf der Suche „nach Ingenieur:innen, die sich etwas trauen – nicht nur am Schreibtisch, sondern auch mit dem Werkzeug auf der Pilotanlage“. Ein Maschinenbaustudium wäre von Vorteil.
Aktuell freut sich Krammer auf das Coaching im Rahmen von greenstart, der Start-up-Initiative des Klima- und Energiefonds, und auf die Vernetzung mit anderen Gründer:innen im Bereich Technologieentwicklung. Und natürlich soll Terawind durch greenstart noch bekannter werden.